Sparkassen Zeitung

Werte

Eine kleine Geschichte des Sparbuchs in Österreich

Ausgabe #5/2016 • It's the Economy, Stupid

Ein Sparbuch oder eine Sparkarte zu haben, ist heute selbstverständlich. Doch nicht immer war es möglich, seine Ersparnisse zur Bank zu tragen: Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Sparkassen gegründet.

Die kleine Sparerzeitung von 1966. Seit Mitte der 50er Jahre
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Das erste Sparbuch Zentraleuropas wurde am 4. Oktober 1819 in Österreich ausgegeben: das Einlagebuch Nr. 1 der Ersten Oesterreichischen Spar-Casse – das erste von 100 Sparbüchern, die im Jahr 1819 „unter würdigen Kindern der unteren Klassen von 12 bis 15 Jahren“ verteilt wurden. Die kleine Marie Schwarz war die Inhaberin des ersten Sparbuchs. Das gestiftete Guthaben von 10 Gulden – etwa 140 Euro – mit Zinsen durfte sie nicht vor dem 20. Geburtstag beheben. 29 Jahre lang wurde nichts eingezahlt, nur die Zinsen wurden nachgetragen. Marie Schwarz – damals 45 Jahre alt – ließ sich ihr Guthaben im Revolutionsjahr 1848 auszahlen. Bei durchschnittlich 4 Prozent Zinsen war ihr Startkapital auf über 30 Gulden angewachsen. Danach wurde weitergespart und wieder abgehoben, bis man im Jänner 1896 die letzte Behebung verzeichnete: 5 Gulden und 33 Kreuzer.

ZIERLICHE ANFÄNGE IM 18. JAHRHUNDERT
Sparen bedeutete für die meisten Menschen, Vorräte für schlechte Zeiten anzulegen. Die Bevölkerung hortete Getreide und konservierte Lebensmittel, um vorzusorgen. Geld spielte kaum eine Rolle. Die wenigen Münzen, die die Menschen besaßen, wurden in Sparstrümpfen gesammelt, in der Wäschetruhe versteckt oder in den Saum von Röcken eingenäht. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich vieles. Alte Ordnungen lösten sich auf, das soziale Gefüge wurde brüchig. Die Grundherrschaften auf dem Land verloren an Bedeutung. Sie hatten zwar die Menschen in ihrer Freiheit beschränkt, aber auch Sicherheit gegeben. Ebenso sank in den Städten der Einfluss der Zünfte, die ihren Mitgliedern eine Kranken- und Altersvorsorge geboten hatten. Dafür wurde die Sparidee immer wichtiger.

Der Bedarf an Sparkassen trat zunächst in den größeren Städten auf. Angelockt von besseren Verdienstmöglichkeiten zogen zahllose ärmere Menschen vom Land in die Stadt. Da es noch keine Sozialversicherung gab, waren sie bei Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und im Alter oft großer Not ausgesetzt. Erst 1889 wurde in Österreich eine Krankenversicherung eingeführt. Die Armenfürsorge lag in den Händen von Kirchen und Klöstern. Es war kein Zufall, dass ein Pfarrer zum Mitbegründer der ersten Sparkasse Zentraleuropas wurde: Johann Baptist Weber hatte zuerst eine Pfarrkasse eingerichtet, die zinsenlose Kredite an bedürftige BürgerInnen vermittelte. In der Wiener Vorstadtgemeinde St. Leopold gründete er im Jahr 1819 mit 10.000 Gulden Stammkapital die Erste Oesterreichische Spar-Casse – heute wären das etwa 140.000 Euro.

DIE BANK DER KLEINEN LEUTE
KundInnen der Banken waren damals der Staat, große Unternehmen und finanzkräftige BürgerInnen. KleinhändlerInnen, HandwerkerInnen, TagelöhnerInnen oder DienstbotInnen mussten ihren Lebensunterhalt mit Bargeld bestreiten. Doch manchmal konnten auch sie kleine Beträge beiseite legen. Pfarrer Weber verstand seine Sparkasse als Bank der kleinen Leute. Auch sie sollten mit ihren Ersparnissen Kapital aufbauen können, um es „in späteren Tagen zur Begründung einer besseren Versorgung, zur Aussteuer, zur Aushilfe in Krankheit, im Alter, oder zur Erreichung irgendeines löblichen Zweckes zu verwenden.“ So sahen es die Statuten vor.

Schon nach wenigen Jahren wurden die Räume im Pfarrhaus St. Leopold zu klein für die wachsende Zahl an SparerInnen. 1823 erfolgte der Umzug auf den Graben – wo sich heute noch die Zentrale der Erste Bank befindet.

DAS REVOLUTIONSJAHR 1848
Vorerst entwickelte sich die Erste Oesterreichische Spar- Casse erfolgreich. Auf rund 100.000 Konten lag ein Vermögen von über 24 Millionen Gulden. Doch die sozialen Probleme im Zuge der Industrialisierung machten auch vor Österreich nicht halt. So kam es zu Beginn der Unruhen im Revolutionsjahr 1848 massenhaft zu Abhebungen. Ab 1860 setzte als Auswirkung des Sparkassenregulativs von 1844 ein regelrechter Sparkassenboom in ganz Österreich ein. Erstmals konnten Sparkassen gegründet werden, für deren Einlagen die Gemeinden hafteten. Die rasant ansteigenden freien Geldmengen mussten im Laufe der Zeit veranlagt werden – dafür bot sich die Wiener Börse an. Den Sparkassen mit ihrer zurückhaltenden Veranlagungsstrategie setzte das Börsefieber zu. Ein großer Teil potenzieller Spareinlagen wurde über sogenannte „Maklerbanken“ spekulativ veranlagt. Erst nach dem Börsekrach 1873 kehrten die AnlegerInnen zu den Sparkassen zurück.

ERSTER UND ZWEITER WELTKRIEG
Der Krieg kostete nicht allein Millionen Menschen das Leben, er zerstörte auch die Gesellschaftsordnung und untergrub das Vertrauen in Staat und Wirtschaft. Den Jahren der Hyperinflation ab 1920 folgte nach einem kurzen Aufschwung die Weltwirtschaftskrise.

Der Schilling hatte die Krone abgelöst, trotzdem erholte sich die Wirtschaft nur langsam. Bürgerkrieg und autoritärer Ständestaat im Kleinstaat Österreich trugen zu den instabilen wirtschaftlichen Verhältnissen bei. Der scheinbare Wirtschaftsaufschwung im Zuge der Annäherung und des Anschlusses an Deutschland war nichts anderes als die Folge der Aufrüstung für einen neuen Krieg.

Österreichs in das Deutsche Reich wurden die österreichischen Sparkassen Teil der deutschen Sparkassenorganisation. Nach den damals geltenden Gesetzen wurden MitarbeiterInnen aus rassistischen oder politischen Gründen ihres Amtes enthoben und Guthaben von verfolgten Personen eingezogen. Das nationalsozialistische Regime machte Sparen zu einer Verpflichtung für alle „Volksgenossen“ und lenkte einen Großteil der privaten Ersparnisse in die Rüstungs- und Kriegsfinanzierung.

Zu Beginn der 2. Republik ging es auch für das Sparen in Österreich bergauf. 1955 erstellte jedes Geldinstitut eine „Rekonstruktionsbilanz“. Für die Erste war die Liquiditätslage erfreulich: 41 Prozent der Bilanzsumme waren liquid veranlagt, 15 Prozent in Wertpapieren. Die Spareinlagen erreichten bereits 61 Prozent der Bilanzsumme. Dies stärkte das Vertrauen der SparerInnen.

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„Der Gründungsgedanke der Sparkassen verpflichtet
und inspiriert bis in die Gegenwa rt hinein.“

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60 JAHRE SPAREFROH
Das Sparen der Kinder wurde lange Zeit von Eltern und LehrerInnen bestimmt. Gespart wurde im Klassenverband beim Schulsparen oder unter Anleitung der Eltern in Sparbüchsen, die am Weltspartag den BankbeamtInnen übergeben wurden. Seit 1956 sorgt der Sparefroh mit seiner roten Mütze dafür, dass der Besuch in der Sparkasse auch Spaß macht. Der Sparefroh ist das Symbol der Erste Bank und Sparkassen für das Sparen und den sorgsamen Umgang mit Ressourcen. Er vermittelt Kindern den richtigen Umgang mit Geld, schärft ihre Sinne für Werte und natürliche Reserven und zeigt ihnen die richtige Balance zwischen Konsumieren und Bewahren – Erkenntnisse, die heute wichtiger sind denn je.

Sparen ist mehr als überschüssiges Geld auf die Bank zu tragen. Sparen ist eine Frage der persönlichen Haltung. Die Gründungsidee der Ersten Oesterreichischen Spar-Casse beruht auf dem Prinzip gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung. Sie ist bis heute wesentlich für das Handeln der Erste Bank und Sparkassen – und eine Verpflichtung für die Zukunft.