Sparkassen Zeitung

Land und Märkte

Nur 25 Prozent der ÖsterreicherInnen erachten wohnen noch als leistbar

Ausgabe #September/2020 • FLEXIBILITY

LAUT EINER AKTUELLEN STUDIE DER ERSTE BANK UND SPARKASSEN BEUNRUHIGEN DIE STEIGENDEN WOHNKOSTEN DIE ÖSTERREICHER_INNEN. ABER TROTZ CORONA-KRISE IST DIE MEHRHEIT DER MENSCHEN IN DER ALPENREPUBLIK MIT DER AKTUELLEN WOHNSITUATION ZUFRIEDEN ODER SOGAR SEHR ZUFRIEDEN.

Die vergangenen sechs Monate waren eine große Herausforderung für die Menschen in Österreich. Bedingt durch die Pandemie spielte sich das Arbeits- und Berufsleben nur noch in den eigenen vier Wänden ab. Manch einem mag zwar die Decke auf den Kopf gefallen sein, aber insgesamt sind die ÖsterreicherInnen zufrieden mit der aktuellen Wohnsituation. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage von IMAS International im Auftrag der Erste Bank und Sparkassen, die in zwei Wellen – einmal im Februar vor der Corona-Krise und einmal im Juni mitten in der Pandemie – die Wohnsituation der ÖsterreicherInnen abgefragt hat. Demnach sind zwei Drittel (66 Prozent) der 900 Befragten „sehr zufrieden“ und 22 Prozent „zufrieden“ mit ihrer Wohnsituation. Nur zwölf Prozent sind aktuell wenig oder gar nicht zufrieden damit, in welchen Umständen sie leben. Nicht zuletzt resultiert das gute Ergebnis daraus, dass 60 Prozent der ÖsterreicherInnen ein eigenes Haus oder eine Wohnung besitzen und nur 40 Prozent in Miete leben. Peter Bosek, CEO der Erste Bank: „Selbst die Pandemie hat also nichts an der Zufriedenheit mit der aktuellen Wohn-situation verändert. Die Ergebnisse vor und nach der Pandemie sind quasi deckungsgleich in diesem Punkt. Aber angesichts der 875.000 Menschen, die aktuell arbeitslos oder in Kurzarbeit sind und somit Existenzängste haben, rückt das Thema Zufriedenheit gerade jetzt in den Hintergrund.“

STEIGENDE WOHNKOSTEN BEREITEN ÖSTERREICHER_INNEN SORGEN

Deutlich problematischer sehen die ÖsterreicherInnen die Entwicklung der Wohnkosten. Schon jetzt sind für 49 Prozent der 900 Befragten die Kosten in den letzten fünf Jahren „etwas gestiegen“ und für 18 Prozent sogar „sehr gestiegen“. Nur rund ein Drittel der StudienteilnehmerInnen sieht das nicht so. Bosek: „Das liegt aber auch daran, dass es zum Glück in Österreich mit Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen einen sehr guten sozialen Wohnbau gibt, ansonsten würde das Ergebnis der Befragung deutlich schlechter ausfallen.“ Während in den 1980er Jahren die ÖsterreicherInnen zu 77 Prozent das Wohnen als „leistbar“ beziehungsweise „sehr gut leistbar“ erachteten, so sind es heute nur noch 25 Prozent, die das so sehen. Dass Wohnen 2030 noch leistbar sein wird, glauben nur noch knapp 18 Prozent der Befragten. Bosek: „Es ist eine düstere Prognose, dass vier Fünftel der Österreicherinnen und Österreicher heute der Meinung sind, sich in zehn Jahren keine Wohnung mehr leisten zu können. Hier müssen die Alarmglocken schrillen.“

IMMOBILIENPREISE STEIGEN SCHNELLER ALS EINKOMMEN

Sind seit 2015 laut WIFO die Reallöhne der ÖsterreicherInnen nur um 4,9 Prozent gestiegen, so sind die Mietpreise laut Verbraucherpreisindex der EZB um 15 Prozent in die Höhe geschossen. Die Immobilienpreise haben sich sogar im gleichen Zeitraum um beachtliche 27 Prozent verteuert. Bosek: „Häuserpreise sind mit großem Abstand am stärksten gestiegen und übersteigen das Wachstum der durchschnittlichen Einkommen um fast das Dreifache. Diese Entwicklung ist alarmierend, denn Wohnen muss auch in Zukunft leistbar bleiben. Selbst Corona wird hier den Druck nicht aus dem Markt nehmen, denn Grund und Boden wird zunehmend zur Mangelware.“

CORONA RAUBT WOHNTRÄUME

Die Corona-Pandemie hat aber spürbare Auswirkungen auf die Wohnwünsche der ÖsterreicherInnen. Wollten im Februar noch 59 Prozent ihre Wohnsituation verändern, so sind es im Juni nur noch 54 Prozent gewesen. Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank: „Die Menschen stellen aufgrund der vielen Unsicherheiten am Arbeitsmarkt ihre Wohnwünsche zurück. Auch die finanzielle Situation ist für viele in der Krise schwieriger geworden.“ Nachdem man in den vergangenen Monaten viel zu Hause war, planen viele ÖsterreicherInnen Verbesserungen bei den bestehenden Immobilien. Zwölf Prozent der Menschen wollen renovieren, elf Prozent den Außenbereich optimieren (+3 Prozent im Vergleich zu Beginn des Jahres) und elf Prozent Eigentum erwerben (+5 Prozent). Nur bei der Gruppe der 18-bis-34-Jährigen hat die Pandemie grundsätzlich den Wunsch nach Eigentum um ganze sieben Prozent zwischen Februar und Juni 2020 anwachsen lassen.

NACHFRAGE NACH WOHNBAUKREDITEN WÄCHST WEITER

Diejenigen ÖsterreicherInnen, die es sich leisten können, nutzen derzeit weiterhin die niedrigen Zinsen. Dazu Schaufler: „Das Neugeschäft der Wohnbaukredite an Private stieg österreichweit von 5,068 Milliarden Euro (Q2 2019) um 7,2 Prozent auf 5,461 Milliarden Euro (Q2 2020). Im gleichen Zeitraum stiegen die Neukredite im Wohnbau in der Sparkassengruppe um 9,8 Prozent auf 1,042 Milliarden Euro an.“ Zudem legen KundInnen immer mehr Wert auf eine Absicherung. War es vor Corona nur 68 Prozent wichtig, so sind es heute 74 Prozent der Befragten, die eine besondere Absicherung der Finanzierung wichtig finden.

300 MILLIONEN FÜR LEISTBAREN WOHNRAUM

Die Europäische Investitionsbank (EIB) stellt der Ersten Bank Finanzierungsmittel in Höhe von 150 Millionen Euro zur Unterstützung von leistbarem Wohnraum in Österreich zur Verfügung. Darüber hinaus wird die Erste Bank die von der EU-Bank bereitgestellten Mittel mit zusätzlichen 150 Millionen Euro verdoppeln. So stehen also in den kommenden drei Jahren insgesamt beachtliche 300 Millionen Euro über die Erste Bank zu Verfügung, die in den sozialen Wohnbau fließen. Bosek: „Mit diesem Geld können Finanzierungen mit Fixzinssätzen mit einer Laufzeit von bis zu 28 Jahren für geförderte oder gemeinnützige Neubau-Mietwohnungen vergeben werden.“ Schon im Mai 2019 wurden nach dem gleichen Modell 200 Millionen Euro der EIB und Erste Bank innerhalb von 14 Monaten zur Gänze vergeben. Mit der ersten Tranche wurden rund 2.200 leistbare Wohnungen für rund 3.900 Bewohner-
Innen in Österreich errichtet.